Die Nähe seines Œuvres zu Wort und Bild steht im Zentrum des Hans Werner Henze gewidmeten Musik-Konzepte-Bandes 'Musik und Sprache'. Der deutsche Komponist ist am 1. Juli 80-jährig geworden. Er war krank, sehr krank, schwer gestürzt im eigenen Haus, lag lange im Koma. Jetzt arbeitet er wieder und ist dabei, seine neue Oper Phaedra zu komponieren. Das Werk, ein Ko-Auftrag mehrerer europäischer Opernhäuser, soll im Herbst 2007 an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin uraufgeführt werden.
Henzes Musik, so Herausgeber Ulrich Tadday im Vorwort, öffne sich für aussermusikalische Bedeutungen, verweise auf Literatur, Malerei, Theater, auf geschichtlich gebundene Erscheinungsformen von Kultur und Natur.
"Genie der Wandlungsfähigkeit" und "Talentreichster seiner Generation" lauteten die Titel, die ihm Kritiker gaben. Andere stuften ihn als "Postmodernen" ein, als "Einzelgänger der Moderne". Immer wieder tat er sich mit Autoren zusammen, 1973 mit Hans Magnus Enzensberger für "La Cubana", in der er seine desillusionierten Vorstellungen vom Kommunismus auf Kuba reflektierte. Seit dieser Zeit gilt Henze auch als "politischer Künstler". Seine Kunst wolle er in den Dienst der Gesellschaft stellen, der Veränderung, der Revolution, meinte er einst. Es war der Geist der Studentenbewegung, die ihn damals erfasste, und wie immer duldete er kein Mittelmaß: Er widmete Che Guevara sein Oratorium Das Floß der Medusa. Die Uraufführung in Hamburg wurde zum Skandal: Der RIAS-Chor weigerte sich, unter einer roten Flagge zu singen, es kam zu Tumulten, die Polizei griff ein. Das Konzert wurde für beendet erklärt, bevor ein einziger Ton erklungen war. So war das damals. Im der nächsten Saison wird das Werk von den Berliner Philharmonikern unter Simon Rattle aufgeführt - so ändern sich die Zeiten.
Jens Brockmeier untersucht in seinem Beitrag Eine Sprache in harter Währung das von Henze in den Nachkriegsjahren verfolgte Projekt der musikalischen Sprachlichkeit, der Wort-Ton-Beziehungen, seine Erfahrungen in Italien und die Zusammenarbeit mit Ingeborg Bachmann.
Der Essay Hartmut Lücks befasst sich mit den Literarischen Bilderwelten in Henzes früher vokaler Kammermusik bis Mitte der Sechzigerjahre. Im Mittelpunkt stehen einige Texte der den Komponisten inspirierenden Dichter (Walt Whitman, Georg Trakl, Lope de Vega, Hölderin, Arthur Rimbaud, Elsa Morante) und ihre Umsetzung in expressiven, farbenreichen Werken.
In Das Floß der 'Medusa' von Henze und Schnabel. Ein Kunstwerk im Schatten seiner Rezeption gibt Peter Petersen eine detaillierte Analyse des 1968 in Hamburg uraufgeführten Oratoriums (Texte und Sprachen, imaginäres Theater, Vokalität, die dem Opus zugrunde liegende Zwölfton- und Rhythmusreihe, die Tune-Technik, die revidierte Fassung von 1990).
Klaus Oehl widmet sich in Oper auf der Couch Henzes früher dodekaphonischer Funkoper Ein Landarzt (1951) nach Kafkas Erzählung aus dem Jahr 1917, verfolgt die Entstehung von der Idee der ersten Kafka-Oper bis zu ihrer Ursendung, beleuchtet Handlung und surreale Bildwelten, die Figuren und Henzes Umsetzung des Textes zu einer surrealen Oper.
Überlegungen zur Funktion des Exotischen im Werk Henzes stellt Marion Fürst in ihrem Beitrag Das Fremde im Blick an. Sie verfolgt die Spuren, die aussereuropäische Klänge, Melodien, Rhythmen, Tänze und Volksmusiken in Henzes Schaffen hinterlassen haben, das geprägt ist durch die Spannung zwischen Identifikation und Distanz, Tradition und Innovation.
__________________________________________
Hans Werner Henze. Musik und Sprache. Reihe Musik-Konzepte, Band 132. Neue Folge, herausgegeben von Ulrich Tadday. IV/2006, edition
text + kritik im Richard Boorberg Verlag, München. 132 Seiten mit zahlreichen Notenbeispielen, Faksimiles und Tabellen.
Bei Amazon kaufen __________________________________________
Einladung zum Hören: Hans Werner Henze, Sinfonische Werke (NDR Sinfonieorchester)
Mp3-Beispiele:1 (Drei Sinfonische Etüden für Großes Orchester: Nr. 3) -
2 (Nachtstücke und Arien: Aria I)Mp3s aus anderen Henze-Werken:
3 -
4 -
5 -
6 -
7